Aus dem Seniorenheim 1.

Leben auf der Verkehrsinsel, Nikkolo Feuermacher 2021

Bild: Nikkolo Feuermacher

Herr Feuermacher hat gesagt, dass ich vorher anfangen soll, vor dem Seninorenheim. Gut.
Ich heisse Miklós Nemuszáj und bin geimpft. In Wien arbeite ich als Praktikant für eine Firma, aber mir reicht das Geld nicht.

Meine Kollegen haben alle alte Mietverträge, aber ich muss fünf mal mehr Miete für mein Zimmer bezahlen als sie, weil mein Mietvertrag neu ist. Ich brauche fünf mal mehr Geld.
Bei meiner Arbeit hat mich eine Dame angesprochen und mir einen Nebenjob angeboten. Sie macht Gedächtnistraining in einem Seniorenheim. Dabei will sie Musik spielen, aber all ihre Musik ist auf Schallplatten (so Vinyl-Dinger). Das Seniorenheim findet einen Plattenspieler in der Anschaffung zu teuer, aber sie darf mit einem Wischtelefon über den Beamer Musik abspielen. Der Beamer muss sein, weil mit ihm immer gezeigt wird wie mega das Seniorenheim ist. Sie haben einen eigenen Film dafür machen lassen. Also die Dame will, dass ich als technischer Assistent beim Gedächtnistraining dabei bin, die Lieder für sie im Internet finde und im richtigen Moment über mein Wischtelefon abspiele. Ich stelle auch den Stuhlkreis auf, helfe den Leuten im Rollstuhl und schalte das Licht im Saal wenn es nötig ist heller oder dunkler.
Wenn ich im Seniorenheim arbeite, esse ich vorher immer mit im Speisesaal. Letzte Woche ist mir da ein Typ aufgefallen, der sich noch eine zweite Portion geholt hat und nicht so alt war wie die anderen Leute. „Ein Schnorrer“ dachte ich, hab mir auch eine zweite Portion geholt und mich neben ihn gesetzt. Wie er die Maske abgenommen hat, habe ich ihn erkannt: es war Herr Feuermacher. Ich sass neben einem echten Star. Herr Feuermacher hat gesagt er isst deshalb im Seniorenheim, weil es im Moment wegen der G-Regelungen unkomplizierter für ihn ist als in einem Kaffeehaus zu essen. Wie ich ihm von meinem Job erzählt habe und was ich da so erlebe, hat er mir angeboten Influencer zu werden und eine Kolumne auf einem seiner Blogs zu schreiben. Er würde mir erst mal über die Schulter schaun und ein bisschen helfen, aber wenn es gut läuft arbeite ich dann allein zu Hause, wann ich will. Ich habe das Angebot angenommen, auf Probe.
Das hier ist mein 1. Beitrag in der Kolumne „Aus dem Seniorenheim„. Ich hoffe ihr liebt ihn:

Die Dame hat ein Lied bestellt, das „The Last Drive“ heist und von Eric Burdon 1980 aufgenommen wurde. War nicht leicht zu finden, aber: Der Typ singt davon, dass 1983 weltweit Privatautos verboten werden. Daraufhin gründen Leute die internationale NGO „Citizen Drivers“ um ihre Autos vor dem Recyceln zu bewahren. Dann fahren alle in einem gigantischen Stau quer durch ganz Europa.
Heute, zum globalen Klimastreik am 24. September, wo das voll passen würde, würde sich doch niemand mehr traun so ein Lied aufzunehmen? Die Rock-Nummer fetzt. Bei „checkin it in for the last drive“ haben alle voll mitgeschrien und die „rebel citizen drivers“ sind mit ihren Rollatoren echt krass abgegangen.
Bis zum nächsten mal,
euer
Miklós Nemuszáj

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