Aus dem Seniorenheim 14.

Können Sie vorlegen?

Bild: Nikkolo Feuermacher 2022

Leider kein Happy End für mich.
Maria, die mir eigentlich dankbar sein hätte müssen dafür, dass sie ihren Vater wieder hat, sagt zu mir: Ich habe schon einen Sohn. Er heisst Jesus. Du musst Dir eine andere Mutter suchen!
Ich: Aber ich habe schon eine Mutter, ich suche keine neue.
Maria: Um so besser für Dich. Geh wieder dahin zurück wo Du hergekommen bist. Ich habe wirklich alle Hände voll zu tun. Ich mache das gleiche wie Du: ich gehe auch dahin zurück wo ich hergekommen bin: nach Mexiko.
Auf die Idee, dass ich ihr wunderbar in Mexiko helfen hätte können: Helfen dabei mit Jesus und Jesus in Frieden zu leben, auf diese Idee ist sie gar nicht gekommen.
Not nice.
Joy hat mir gesagt: Weisst Du Nemuszáj, ich habe jetzt schon eine Zeit lang mit Dir unter einem Dach gelebt. Ich denke jetzt ist der Moment gekommen wo Du einen Tapetenwechsel brauchst. Über Geld wollen wir im Moment nicht reden.
Nicht, dass ich gerne mit Joy über Geld hätte reden wollen. Aber das Zimmer im Dach war überhaupt nicht tapeziert. Wahrscheinlich wäre es allerdings im Winter so kalt gewesen wie es im Sommer zu heiss war. Schwitzen hat sie mich lassen, aber erfrieren lassen wollte sie mich nicht. Nice – aber somehow Schade.
Um auf andere Gedanken zu kommen bin ich ins Seniorenheim. Paco hatte mir einen Zettel vorbeigebracht auf dem stand:
Patti Smith Group „Ghost Dance“ 1978.
Eine gute Möglichkeit mir ein paar Euros abzuholen.
Nachdem ich mich auskenne und alle mich kennen, komme ich einfach herein, ziehe mein Wischtelefon aus der Tasche und lasse das Lied im Speisesaal abspielen.

Die Alten die aufstehen können, stehen auf, halten sich und die Alten, die sitzen können, an den Händen. Bei we shall live again singen alle mit. Das ist schon ein wenig gruselig – aber somehow mein Job.
Olia: Anastasiia war katholisch. Für die war es leicht zu sterben. Die war sich sicher, dass sie in den Himmel kommt, mit dem Tot. Natürlich ist die gerne gestorben.
Dimitri: Einer meiner Brüder ist auch Christ. Sogar Priester. Er hat mir gesagt, dass es eine heidnische Vorstellung ist gleich nach dem Tot in eine andere Welt zu kommen. Bei den Christen ist es so: alle bleiben in ihren unbeschädigten, aber toten Körpern in der Erde liegen. Bis ein Tag kommt an dem Posaunenchöre spielen. Dann stehen alle Toten auf und werden vor Gericht gestellt. Eine Gerichtsverhandlung mit der gesamten Menschheit. Ich glaube alle Toten der letzten Jahrtausende vom gesamten Planeten sind da vor Gericht. Zum Glück sind es keine Menschen, die die Verhandlung organisieren oder die ganzen Daten verwalten müssen. Erst nach der Verhandlung hast du eine Chance in den Himmel zu kommen. Das ist der aktuelle Stand der Weltkirche. Also zuverlässig. Mein Bruder weiss über was er redet. Der hat das studiert.
Die mit dem Lächeln: Was? Du hast einen Bruder der Pfarrer ist? Ist der auch so schwarz?
Dimitri tut so als hätte er die Frage nicht gehört: Vergangenes Monat habe ich geträumt alle Fahnen in Österreich wären auf Halbmast weil der Präsident von Russland gestorben war. Er hatte seine Sache als Diktator so gut gemacht.
Olia tut so als hätte sie Dimitri nicht gehört: Meine Freundin Maresi war buddhistisch. Die war sich sicher, dass sie nie sterben wird. Völlig sicher, dass es unmöglich ist diesen Planeten zu verlassen. Sie hat gesagt: Olia, schau mal: die Energie bleibt immer gleich im Universum, die Materie bleibt gleich im Universum. Dann wird das Bewusstsein im Universum auch gleich bleiben. Maresi war einmal Physikerin – ich glaube Astro- oder Teilchen-. Sie ist gestorben, damit die anderen nicht das Gefühl hatten alleine sterben zu müssen. Aber für sie war es nur eine freundliche Show, ein Trick an den sie selbst nicht geglaubt hat.
Die mit dem Lächeln: Ich kannte mal eine japanische Buddhistin, die hat mir erzählt ihre Mutter wäre beim Sterben direkt von Buddha abgeholt worden und er hätte sie mit einem Boot auf eine andere Insel gebracht. Von da kommt sie jeden Sommer wieder zurück um mit ihrer Familie zu Essen, zu Tanzen und zu Feiern. Ich glaube das ist im August und heist Obon.
Olia: Also ich bin weder das eine noch das andere. Ich hab noch nicht einmal einen Schulabschluss der in Österreich anerkannt wird. Sogar mein Deutsch ist schlecht. Ich weiss NICHTS. Es ist mir zu unsicher einfach so zu sterben. Ich könnte blos einfach tot sein und das wärs gewesen. Dann wäre meine Chance zu leben vorbei und ich hätte nichts daraus gemacht. Also versuche ich etwas daraus zu machen. Nemuszáj, ich leg Dir was drauf wenn Du das Lied noch mal spielst.
Das lass ich mir nicht zwei mal sagen.
Patti Smith Group „Ghost Dance“ 1978.
Alle singen we shall live again, das ganze Seniorenheim.

Bis zum nächsten mal, euer Miklós Nemuszáj

Ein Gedanke zu “Aus dem Seniorenheim 14.

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