
Klaus: Draussen ist es laut, aber hier drinnen ist es gemütlich. Ich sitze am 2.10.2025 im KERAMIK VON ENA Laden in Wien. Wer oder was besucht mich denn da?
Dose: Hier besucht Dich eine süsse, kleine Dose. Ich habe noch keinen Namen – aber vielleicht kriege ich noch einen im Laufe des Gesprächs. Ich bin eine Dose an der das Herz von Ena ein bisschen hängt.
Klaus: Warum hängt ein Herz an Dir?
Dose: Das kann ich nicht genau sagen. Wenn wir Objekte in den Laden kommen ist es so, dass einige von uns mehr sprechen oder berühren als andere. Manche von uns vermitteln auch das Gefühl „es ist schwer die gehen zu lassen„, „die will lieber bleiben„. Ich bin eine von den Dosen die lieber bleiben will.
Klaus: Jede Keramik die hier ist war erst einmal in der Werkstatt/ im Atelier von Ena. Und wenn sie dann hier ist fängt sie auf einmal ein Gespräch an?

Dose: Es kommt darauf an. Manche von uns fangen schon früher an zu reden. Die reden schon wenn sie aus dem Ofen kommen. Manche von uns sprechen erst wenn sie hier im Laden stehen. Es gibt immer wieder Momente wo man uns direkt begegnet: beim Einpacken, beim Auspacken, beim Angreifen, beim Herumbewegen und Verstellen im Laden. Bei mir hat es zum Beispiel gedauert bis ich gesprochen habe. Wenn ich etwas früher gesagt hätte „ich will nicht gehen„, wäre ich jetzt schon bei Ena zu Hause. Dahin kommen die von uns, die nicht gehen dürfen. Das spannende ist: wenn eine von uns im Laden ist und sagt „ich bin etwas ganz besonderes, ich will nicht gehen„, dann kommen sofort Leute in den Laden und kaufen die. Besuchende im Laden wollen auch immer gerne die Tasse kaufen aus der Ena gerade trinkt und die – teilweise noch halb voll – irgendwo da hinten steht.
Klaus: Hast Du eine Liebe bekommen von der die Besuchenden merken, dass sie in dir steckt?
Dose: Messen kannst Du das nicht.

Klaus: Dass Du nicht gehen willst – hat das etwas damit zu tun wie Du dich anfühlst? Oder damit wie Du aussiehst?
Dose: Beides. Ich habe ein Pyramidenform, bin rund, und die Pyramide ist gespiegelt: unten und oben Pyramide. Wenn Du mich anfässt spürst Du eine Kombination zwischen rauem Ton und einer glasierten Oberfläche.
Klaus: Ich nehme Dich mal in die Hand. Ah – innen, wo ich etwas hineingeben würde – bist Du auch lasiert. Hier hast Du einen rauen Übergang. Der Deckel ist innen rauh und oben ist er noch einmal – Mmm. Wenn ich Dich aufmache schaust Du noch einmal ganz anders aus. Du bist überraschend. Und klein.
Dose schweigt schüchtern.
Dose: Es gibt noch kleinere als mich, aber auch grössere. Für eine Dose habe ich eine gute Grösse.
Klaus: Schätze möchte ich in Dich hineinlegen. Was hättest Du gerne in dir?
Dose: Kleine Sammeleien, spezielle kleine Schätze. Ich habe etwas besonderes weil man mich verschliessen und in mir etwas verstecken kann. Da gibt es dann den Moment: das Versteckte wieder zu entdecken.
Klaus: Du bist eine Geheimnisträgerin.
Dose: Man kann sich vorstellen was alles in mir drin sein könnte. Oolong-Tee zum Beispiel. Oder ein Mochi ist drinnen, zugedeckt, damit es entdeckt werden kann. Oder jemand legt am Abend ihre Ringe in mich hinein.

Klaus: Nachts schlafen die Ringe in dir. Und morgens gibst Du sie wieder her?
Dose: Ja.
Klaus: Wenn ich Dich kaufen könnte, hättest Du diesen Brief dabei: „Thank you for choosing me. I am looking forward to become a part of your daily rituals. I am a one of a kind piece, handcrafted by Ena in Vienna. I am made out of high fired stonewear, what makes me dureable and long lasting for everyday use. To keep me around for a long time i prefer a gentle cleaning by hand. And please don’t expose me to rapid temperature changes. Otherwise i might get a shock.“ Du bestehst also aus einer besonderen Keramik?
Dose: Ich bin aus hochschamottiertem Steinzeug. Meine raue Haptik kommt daher, dass bereits gebrannter Ton in mein Grundmaterial eingemischt ist. Meine Farbe kommt von dem Ort aus dem mein Ton stammt – aus Spanien. Dort gibt es sandfarbenen Ton. Nach dem Formen bin ich mit 1.250 Grad (Celsius) gebrannt. Ich bin wasserdicht und stabil. Porzellan wird noch höher gebrannt. Es gibt aber auch Gefässe – wie Blumentöpfe – die sind weniger hoch gebrannt, die zerbrechen dann auch leichter.
Klaus: Du kommst aus Spanien?
Dose: Ja. Aber die Tone die hier in den anderen Keramiken verwendet sind kommen auch aus Tschechien, aus Österreich – einer aus dem Burgenland wo ihn Ena selbst ausgegraben hat. Selber ausgraben und aufarbeiten von Tonen um diese dann verwenden zu können, ist ein langwieriger Prozess, der viel Experimentieren, Ausprobieren, Verwerfen und Temperaturtests braucht.
Klaus: Die dunkleren Keramiken auf dem Regal da drüben?
Dose: Die schwarzen sind auch aus Spanien.
Klaus: Hatte Dein Ton schon diese Mischung als er aus Spanien gekommen ist?
Dose: Nein. Ena hat mich gemischt.
Klaus: Sind denn die Schamottteilchen, die in Dir sind, Reste alter Keramiken von Ena?
Dose: Teilweise. Im Moment vermörsert sie die Scherben mit der Hand. Aber sie plant sich ein Gerät zu kaufen, damit das leichter geht. Enas Angebot ist nämlich: wenn sich Menschen in ihrem Laden ein Stück kaufen, kann dieses zurück gebracht werden wenn es zerbricht. Die Scherben werden dann in die nächste Generation eingearbeitet.
Klaus: Und Deine Form? Hat Ena die erfunden?
Dose: Ich glaube nicht, dass sie uns erfindet. Wir kommen aus der Inspiration, die sie mit ihrer beobachtenden Haltung und ihrem Blick aufnimmt wenn sie unterwegs ist. Die wird dann in einem Spiel in ihrer Formensprache wieder umgesetzt.
Klaus: Was für eine Geschichte hat deine Gestalt – Dose?
Dose: Ena ist ihren Weg von der Architektur und Grafik in die Innenraumgestaltung gegangen. Sie fasziniert Ton weil er nicht einschränkt, weil er in alle Richtungen gestaltet werden kann, weil wieder etwas weggenommen werden kann so lange ich nicht gebrannt bin. Anders als bei Papier, Leder oder Holz. Ton hat keine vorgegebene Form – wie etwa Metall – ein Profil in dem er daher kommt. Ton hat eine Plastizität wie kein anderes Material. Das findet Ena spannend und nah.
Klaus: Welche Rolle spielen die Menschen die diesen Laden besuchen?
Dose: Ich begegne Leuten, die mich berühren und die ich berühre und die eine Resonanz geben. Wenn ich mitgenommen werde, mich ein Mensch jeden Tag benutzt, jeden Tag einen Moment hat in dem mit mir inne gehalten wird und der Mensch bei sich ist – sich berührt fühlt oder verbunden mit der Essenz des Seins – über Haptik und Materialität – dann habe ich meinen Sinn erfüllt.
Klaus: Könnte ich Ena den Auftrag geben 10 Dosen wie Dich herzustellen?
Dose: Ich bin ein Einzelstück. Aber ähnliche Dosen könntest Du bestellen.
Klaus: Du, Dose bist in DIESEM Laden. Gibt es KERAMIK VON ENA auch in anderen Geschäften?
Dose: Ja. Das ist kein Geheimnis: es gibt uns hier bei KERAMIK VON ENA in der Burggasse 63, beim JägerTEE in der Operngasse 6, bei JADETEE & KERAMIK in der Berggasse 14 und hin und wieder auf ausgewählten Märkten.