Wer spricht mit wem über Qualität?

Zur Diskussion des Qualitäts-Entwicklungs-Gesprächs innerhalb der ÖVS und die Geschichte der Qualitätsgruppe Wien 2009-13:

Mai 2009: Gabriele Bargehr (bis vor 2010 ÖVS Vorstandsmitglied) und Klaus Kirchner geben einen kostenlosen Diversity Workshop für ÖVS-Mitglieder im Rahmen von ‚Brush up your Tools‘, einer niedrigschwelligen Qualitäts-Initiative des ÖVS.
Am folgenden Tag findet im gleichen Gebäude die Generalversammlung (GV) des ÖVS statt. Auf der Tagesordnung steht u.a. das Thema Qualität. Klaus Kirchner hat sich sechs Jahre in einer Qualitätsgruppe in Deutschland engagiert und kennt den Diskurs über Qualitätsmanagement innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Supervision (u.a. in der Rolle als Regionalgruppensprecher). Er ist dageblieben und neugierig.
Der Tagesordnungspunkt Qualität bleibt zunächst auf das Feld Ausbildungsstandards und Aufnahmeverfahren beschränkt. Herr Kirchner fragt nach einer Initiative zum Qualitätsmanagement im Mitgliederbereich. Der Vorsitzende Dr. Knopf verweist ihn an die Bundeslandgruppe Wien: „Der Vorstand wird dazu in der Zukunft etwas Eigenes entwickeln. Ihr Ansprechpartner ist Ihr Bundeslandteam!“

Petra Furtmüller (bis 2011 Bundeslandteam Wien) freut sich über die Qualitäts-Initiative von der Basis und veranstaltet mit Klaus Kirchner einen Info-Abend zum Thema Qualität am 22.09.2009 im Haus Schönbrunn.
Während der Veranstaltung wird klar, dass unter den Anwesenden großer Diskussionsbedarf besteht, ob und wie der Verband Qualitätsmanagement für Mitglieder einführt. Wird es sich um etwas Freiwilliges oder um eine Verpflichtung handeln? Einige der KollegINNen arbeiten bereits selbstorganisiert in eigenen Initiativen an ihrer Qualität. Der Abend endet mit dem Impuls für eine Qualitätsgruppe in Wien, in der interessierte ÖVS-Mitglieder gemeinsam, freiwillig und offen an der Fagestellung arbeiten: „Wie sieht meine berufliche Qualität aus und wie kann ich sie weiter entwickeln?“ Die Gruppe wird über die Bundeslandseite Wien der ÖVS (unter den Intervisionsgruppen) bekannt gemacht. Herr Kirchner erklärt sich bereit, die Gruppe ehrenamtlich zu koordinieren und ihr Ansprechpartner zu sein.

An der Gruppe beteiligen sich Erika Luser (u.a. Sprecherin der Konferenz der Ausbildungseinrichtungen KAT im ÖVS Vorstand bis 2010), Petra Furtmüller (u.a. Bundeslandteam Wien bis 2011), Ulrike Rauhwolf (u.a. Leiterin einer ÖVS Intervisionsgruppe in Wien), Erich Hubmann (u.a. Leiter der Jusitzwachschule Wien, einem Feld in dem Supervision 2010/11 implementiert wurde) und Klaus Kirchner. Erich Hubmann hat bereits Vor-Erfahrungen in der Arbeit mit einer gemischten österreichisch-deutschen Qualitätsgruppe.

Klaus Kirchner klärt mit der DGSv Vorstand, unter welchen Umständen die Arbeit in der Qualitätsgruppe Wien den Standards der DGSv entsprechen würde.
Die Arbeit in der Qualitätgruppe Wien folgt selbstverständlich auch den ethischen Richtlinien und damit dem aktuellen Qualitätsstandard des ÖVS.

2010: Die Qualitätsgruppe Wien, deren Wirkungskreis zunächst auf ÖVS-Mitglieder in Wien beschränkt ist, arbeitet regelmäßig.

Am 8./9.10.2010 findet in Wien die GV der ÖVS statt. Auf der Tagesord­nung steht wieder Qualität. Im Publikum Klaus Kirchner. Gäste auf der Veranstaltung sind Rolf Brüderlin vom BSO und Bernhard Lemaire von der DGSv. Beide sprechen von ihren persönlichen, professionellen Erfahrungen mit Qualitäts­management und reflektieren auch den Prozess in ihren Verbänden. Der BSO hat verpflichtendes Qualitäts-Entwicklungs-Gespräch (QEG) alle drei Jahre eingeführt, bei der DGSv gibt es eine jährliche freiwillige Qualitätsgruppe, die durch ein Sternchen am Namen Anreiz schafft. In bei­den Verbänden sei die Einführung der Qualitäts-Tools unter den Mitgliedern heftig diskutiert worden. Beim Schweizer Modell hätten einige Mitglieder den Verband verlassen, der jedoch in der Außenwahrnehmung für die verbliebenen und neu hinzugekommenen Mitglieder aufgewertet worden sei.
Der ÖVS-Vorstand stellt seine Initiative vor: einen am BSO orientierten Piloten, an dem sich 120 Mitglieder freiwillig beteiligen sollen (Anreiz: 500 € Fortbildungsgutschein als Los-Gewinn). Der Generalversammlung 2011 soll eine Auswertung des Piloten vorliegen und dann über eine Implementierung des QEG im ÖVS entschieden werden.
Angedacht ist wie beim BSO verpflichtendes QEG alle drei Jahre. Bei Nichterfüllung droht das ‚Ruhen der Mitgliedschaft‘. Der Vorschlag wird von der GV angenommen. Niemand aus der Wiener Qualitätsgruppe spricht.
In der Pause plaudert Herr Kirchner mit Rolf Brüderlin über dessen persönliche Erfahrungen mit dem QEG und die Möglichkeiten einer länderübergreifenden Qualitätsgruppe in Wien (einer Stadt in der KollegINNen von BSO, DGSv und ÖVS arbeiten). Rolf Brüderlin empfiehlt den Kontakt mit der AQK (Aufnahme und Qualität), da im BSO Vorstandsarbeit und verbandliches Qualitätsmanagement klar getrennt sind.

Klaus Kirchner, den das Thema Qualität auch in anderen beruflichen Zusammenhängen beschäftigt, hat eine deutsche Kollegin nach Wien zu einer gemeinsamen Fortbildung eingeladen. Er hofft, dass die Veranstaltung „Qualität ins Gespräch gebracht“ Qualität ins Gespräch bringt und von ÖVS-Mitgliedern als Erfahrungs- und Diskussionsraum genutzt wird. Veranstalter des „Gesprächsraums zur Qualität“ ist der Verein AWS-Beratungen (ehem. AWS-Baden, der bis 2010 eine eigene Supervisionsausbildung anbot und zu den Pionieren in der Österreichischen Supervisionslandschaft zählt). Obfrau Erika Luser (bis 2010 Vorstandsmitglied der ÖVS und KAT-Sprecherin) unterstützt die Initiative.

Die Qualitätsgruppe Wien ist in Kontakt mit ÖVS Geschäftsführer Peter Schwarzenbacher und klärt u.a. die Möglichkeiten ab, ihre Arbeit öffentlich zu dokumentieren.
Im September 2010 wird in der Qualitätsgruppe Wien mit der Form QEG experimentiert.

Am 22.12.2010 lädt die ÖVS-Bundesgeschäftsstelle per Mail ihre Mitglieder zum QEG ein und veröffentlicht Konzept, Leitfaden, FAQs, Dokumentvorlagen für Nachweis und Mitschrift auf der damaligen Homepage im Mitgliederbereich.

Klaus Kirchner befragt schriftlich Ingrid Stelz Senn (AQK der BSO) und Philipp Weber (ebenfalls AQK der BSO), um die BSO Bedingungen zu klären, unter denen SupervisorINNen aller deutschsprachigen Verbände ihr Qualitätsmanagement in einer gemeinsamen Gruppe betreiben könnten. Er geht davon aus, dass eine solch diverse Gruppe ein hohes Lernpotential birgt und die Vernetzung von SupervisorINNen auf ‚Graswurzelniveau‘ stärken kann.

Die Qualitätsgruppe Wien beendet am 2. 02.2011 ihren ersten Durchgang. Die Mitglieder erhalten eine (mit dem Geschäftsführer der ÖVS abgestimmte) Teilnahmebestätigung. Die Selbst-Evaluation der Arbeit führt zu einem positiven Ergebnis. Man beschließt, die Gruppe neu auszuschreiben, KollegINNen von der Warteliste einzuladen und zeitnah mit einer neuen Gruppe zu starten.

10.02.2011 Mag.a Jeanette Moore ( zb zentrum für beratung, training und entwicklung und ÖVS Bundeslandteam Wien 2011) lädt ein zur QEG-Informationsveranstaltung in der Pilotphase. Gemeinsam mit den Bundesland-Teams von Niederösterreich und Burgenland in der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

11.02.2011 Klaus Kirchner informiert – aus aktuellem Anlass – seine KollegINNen über die Möglichkeiten, an der neuen Qualitätsgruppe teilzunehmen und über die geplante Veranstaltung „Qualität ins Gespräch zu bringen“. Die Initiative stößt im KollegINNenkreis (siehe Kommentare) auf ein postitives Echo.

15.02.2011 Esther Gruber-Seidl (für den aktuellen Vorstand der ÖVS) fordert Herrn Kirchner schriftlich auf „von einer Verknüpfung [der] Qualitätsgruppe in Wien und des Pilotprojekts QEG … Abstand [zu] nehmen.“

16.02.2011 Aussendung von Esther Gruber-Seidl (an alle ÖVS Mitglieder in Wien, NÖ, Burgenland und Bundesland-Sprecher), dass die Informationen von Herrn Kirchner über das Qualitätsmanagement von SupervisorINNen zu „Beschwerden“ geführt haben. Worüber sich die ÖVS Mitglieder bei der Geschäftsstelle beschwert haben bleibt im Schreiben offen. Geschäftsführung und Vorstand des ÖVS versuchen die Veranstaltung „Qualität ins Gespräch gebracht“ zu verhindern.

Die Generalversammlung des ÖVS beschließt am 15. Oktober 2011 in Linz (34 anwesende Personen, 39 Stimmen. Mit 37 JA, 1 Enthaltung, 1 Gegenstimme) das Qualitäts-Entwicklungs-Gespräch ab 1.1.2012 als Konzept zur Qualitätssicherung auf Mitgliederebene einzuführen und bis 2015 erneut auszuwerten. Der beim schweizer BSO gesetzte Passus: „Wer an dem Qualitätsentwicklungsgespräch nicht teilnimmt, dessen Mitgliedschaft ruht.“ wird gestrichen. Das heißt: Das Qualitäts-Entwicklungs-Gespräch ist freiwillig.

Am 31.12.2011 legt Klaus Kirchner sein Ehrenamt als Leiter der Qualitätsgruppe der Landesgruppe Wien nieder. Die Gruppe endet damit.

13.10.2012 beschließt die 18. Ordentliche Generalversammlung der ÖVS einstimmig mit 36 Stimmen die Aufnahme des QEG in die Ethischen Richtlinien. Das QEG wird damit ethisch verpflichtend und soll mindestens alle drei Jahre stattfinden. Außerdem sollen in dem Zeitraum mindestens 60 Fortbildungseinheiten nachgewiesen werden. Sanktionen wie in der Schweiz oder Anreize wie in Deutschland sind bezüglich QEG nicht vorgesehen. Im Jahr 2012 (1.1.-1.10.12) haben zwölf ÖVS SupervisorINNen ( 1% der Mitglieder) ein QEG durchgeführt.

2 Gedanken zu “Wer spricht mit wem über Qualität?

  1. Die Diskussion über Qualitätssicherung spiegelt m.E. die
    gesamtgesellschaftliche Debatte wider, wie ich sie auch in der
    Supervisionspraxis bei allen meinen KlientInnen erlebe. Der
    Paradigmenwandel, der die kommerzielle Verwertbarkeit und Kostenrechnung in
    den Mittelpunkt stellt, lässt im psychosozialen, im Gesundheits- und im
    Bildungsbereich immer weniger Spielraum. Während die ökonomischen
    Rahmenbedingungen also zunehmend die Arbeits- (und Lebens-)qualität von
    KlientInnen und in dem Feld Arbeitenden verschlechtern, entsteht auf sie der
    Druck (und die falsche Hoffnung), durch „Qualifizierung“ und „Evaluierungen“
    diesen Verschlechterungen entgegenwirken zu können. Und nur vor diesem
    Hintergrund verstehe ich den 1. Satz im QEG Konzept:“Entwicklung von
    Qualitätsstandards und Qualitätssicherung sind Kennzeichen einer zeitgemäßen
    Profession“. Das Schlüsselwort ist „zeitgemäß“, was nichts anderes bedeutet,
    als „in die neoliberale Entwicklung“ eingebunden.

    Und da wie dort erlebe ich die Hilflosigkeit, Qualität zu erfassen, weil sie
    nicht durch z.B. die Zahl der Betreuungsminuten, die Zahl der
    Weiterbildungsstunden des Personals, die Zahl der positiven Abschlüsse von
    Bildungsmaßnahmen oder durch die Zahl der verkauften Produkte behinderter
    KlientInnen zu erfassen ist. Deshalb vermischt sich die „Qualitätssicherung“
    mit Kontrolle der MitarbeiterInnen, der Konzepte, der LeiterInnen in
    Sandwichpositionen – und nun auch der SupervisorInnen durch den
    Berufsverband.

    Die ÖVS hat bereits jetzt ausreichende Qualitätskriterien festgelegt: Ich
    habe mich durch meine Mitgliedschaft bei der ÖVS zur Einhaltung der
    ethischen Richtlinien und zur regelmäßigen Weiterbildung verpflichtet. Ich
    nehme seit Jahren regelmäßig an Intervisionsgruppen teil, deren Offenheit
    und Möglichkeit zur kollegialen, kritischen Besprechung von
    Supervisionsprozessen durch Vermengung mit „Qualitätsentwicklungsgesprächen“
    nicht eingeschränkt und in ihrer Intention – und bisherigen Qualität – nicht
    verändert werden soll. „Qualitätssicherungsgespräche“ führe ich mit den
    SupervisandInnen und AuftraggeberInnen im Rahmen von regelmäßigen
    Reflexionsgesprächen. Und ich denke, viele KollegInnen handeln ähnlich
    verantwortungsvoll.

    Ich weiß nicht, ob es sich bis zur ÖVS durchgesprochen hat: „Jugend am
    Werk – Wien“ hat seit Jänner 2011 das Budget für Supervisionen halbiert,
    „habit – Haus der Barmherzigkeit“ hat es gedrittelt. Ich hatte vor ein paar
    Tagen über die Hintergründe dieser Maßnahme ein Gespräch mit Dr. Semotan,
    Bereichsleiter bei „Jugend am Werk“: Kurzum, es geht auch hier um die
    Finanzen und „Sparmaßnahmen, um Personalkürzungen zu vermeiden“ – nicht
    Kritik an der Qualität der Supervision bzw. der SupervisorInnen veranlasste
    den Verein, die Supervisionen von vierzehntägig auf monatlich zu kürzen!
    Diese Maßnahme beschäftigt mich als hauptberuflichen Supervisor mehr als die
    QEG-Vorschläge meines Berufsverbandes; und nicht nur aus finanziellen
    Gründen, sondern auch weil durch die größeren Abstände die Qualität der
    Supervisionsprozesse leidet.
    Eine abschließende Frage an die ÖVS dazu: Hat die ÖVS mit den betreffenden
    Vereinen bzw. dem FSW bereits Gespräche geführt, um auf den Qualitätsverlust
    durch Kürzung der Supervisionsbudgets hinzuweisen?

    Wir könnten es uns leicht machen, uns zu dritt zusammensetzen, einander
    gegenseitig die „Qualität unserer Arbeit“ bestätigen, und erledigt! Doch
    dafür ist das Thema gesellschaftlich zu relevant. Und: Ich werde mich sicher
    nicht an der Kontrolle von KollegInnen beteiligen. Deshalb werde ich mich
    auch weiterhin kritisch und konstruktiv an der Debatte beteiligen.

    Vielleicht noch ein Wort zu den – meines Erachtens entbehrlichen –
    Drohgebärden „verpflichtend“, „Mitgliedschaft ruhend stellen“ u.ä.: Ich sehe
    die Debatte durchaus gelassen, weil auch eine etwaige Nicht-Mitgliedschaft
    in der ÖVS weder meine Aufträge noch die Qualität meiner Arbeit als
    Supervisor schmälern wird.

    Mit kollegialen Grüßen
    Dr. Walter Kanelutti

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